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Rezensionen Tiefenpsychologie
und Kulturanalyse

Tiefenpsychologie

Religion und Psychoanalyse

Autor*in:Josef Rattner & Gerhard Danzer
Verlag:Königshausen & Neumann, Würzburg 2009, 160 Seiten
Rezensent*in:Gerda Siebenhüner
Datum:19.04.2012

Im vorliegenden Buch wird die Geschichte der analytischen Religionspsychologie nachgezeichnet. Überlegungen von Philosophen wie Ludwig Feuerbach, Friedrich Nietzsche, Karl Marx sind ebenso aufklärend wie die Erkenntnisse von Tiefenpsychologen wie Sigmund Freud, Alfred Adler, C. G. Jung und Neo-Analytikern. Mich hat das Buch angesprochen, weil die Essays den denkenden Menschen tatsächlich dazu aufrufen, „eine gewaltige Revolution in seinem inneren und äußeren Leben“ einzuleiten, damit er zu einer mitmenschlichen und verantwortungsvollen Existenz im Hier und Jetzt findet.

In Unwissenheit hat sich die Menschheit in ihrer Frühzeit mit der „Gottesidee ein Vollkommenheitsideal“ (Alfred Adler) geschaffen und damit einen gewaltigen Kulturfortschritt erzielt. Aber die Griechen des Altertums haben angefangen, wissenschaftlich zu denken und so einen kulturellen Prozess eingeleitet, der die Religion in der modernen Zeit als eine überholte Weltanschauung erscheinen lässt.

Auf Gott wurden menschliche Bedürfnisse und Wünsche projiziert – Ludwig Feuerbach. Die Religion vertröstete den sich selbst durch Ausbeutung und Unterdrückung entfremdeten Menschen auf ein himmlisches Leben im Jenseits – Karl Marx. Auf den fragwürdigen Werten von Askese, Gehorsam und Armut basiert die religiöse Weltanschauung, bei der Tugenden zu Lastern entartet sind – Friedrich Nietzsche. Die Religion ist eine „kollektive Zwangsneurose“ und eine „Illusion“ infantil gehaltener und gebliebener Menschen – Sigmund Freud. Der neurotische Weltflüchtling schafft sich eine Privatreligion, in der er in einem pervertierten Gottähnlichkeitswahn ohne Beitragsleistung zu Macht und Geltung kommen will – Alfred Adler.

Als angemessene Forschungsmethode für die Untersuchung des religiösen Lebens und Erlebens wird von den Autoren die Hermeneutik dargestellt. Die Problematik des atheistisch, religiös, ideologisch gebundenen Forschers wird diskutiert. Im Epilog wird der Leser zu einem „Gespräch über Religion“ eingeladen. Er schließt mit dem Appell: „Aus seiner Gottesliebe soll Menschenliebe, aus seinem Beten ein Arbeiten für die Kultur, aus Theologie selbständiges Philosophieren, aus dem Hoffen auf überirdische Hilfe eigener Einsatz und aus dem Verlangen nach Erlösung konkrete und humanistische Politik werden.“ (S. 170)