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Rezensionen Tiefenpsychologie
und Kulturanalyse

Tiefenpsychologie

Praxis der Psychotherapie – Ein integratives Lehrbuch

Autor*in:Wolfgang Senf & Michael Broda (Hrsg.)
Verlag:Thieme-Verlag, Stuttgart 2012, 812 Seiten
Rezensent*in:Gerhard Danzer
Datum:29.06.2012

Was ist und wie wirkt Psychotherapie? Diese schlichte Frage wird seit Jahrzehnten unterschiedlich beantwortet, ohne dass es bis heute zu einem abschließenden Urteil gekommen wäre. Die Antworten reichen von Suggestivmethoden bis zum Aufklärungsgespräch, von körperzentrierten Verfahren bis zur Traumanalyse und von imaginativen Aspekten bis zur Behandlung mittels Biofeedback-Übungen.

In ihrem inzwischen in fünfter Auflage erschienenen Lehrbuch Praxis der Psychotherapie ist es den beiden Herausgebern Wolfgang Senf und Michael Broda neuerlich gelungen, eine Reihe von Beiträgern zu gewinnen, welche die ganze Breite möglicher Antworten auf die oben skizzierten Fragen widerspiegeln. Der Schwerpunkt der erläuterten Verfahren liegt dabei auf vier Psychotherapie-Richtungen: analytische und tiefenpsychologische Ansätze; verhaltenstherapeutische Ansätze; humanistische Ansätze; systemische Ansätze.

Neben einem geschichtlichen Abriss der Psychotherapie sowie einer fundierten Darstellung ihrer wissenschaftlichen Grundlagen (Neurobiologie, Sozialpsychologie, Entwicklungstheorie, Bindungstheorie, Allgemeinpsychologie) lesen sich vor allem diejenigen Kapitel instruktiv und anregend, die sich mit der psychotherapeutischen Beeinflussbarkeit einzelner Krankheitsbilder beschäftigen. Dabei wird deutlich, dass sich die Psychotherapie weit über das ursprüngliche Indikationsfeld hinaus (zuerst die sogenannten Übertragungsneurosen) einen festen Platz im Behandlungsspektrum auch der somatischen Medizin erobert hat.

Paradigmatisch sei hier auf die Kapitel über Psychotherapie bei Patienten mit Herzerkrankungen, neurologischen Erkrankungen, Krebserkrankungen sowie nach Organtransplantationen verwiesen. Bei allen diesen Krankheitsbildern treten fast regelhaft Problemfelder auf, die sinnvoller Weise mit psychotherapeutischen Verfahren behandelt werden. Gleichzeitig wird dabei deutlich, wie sehr sich Inhalte und Setting der Psychotherapie in den etwa einhundert Jahren ihres Bestehens geändert haben – eine Veränderung und Entwicklung, die in vielerlei Hinsicht zu begrüßen ist, und deren Dimensionen das vorliegende Lehrbuch eindrücklich widerspiegelt.