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Philosophie

Geschichte des politischen Denkens – Das 20. Jahrhundert. Bd. 4/1: Der Totalitarismus und seine Überwindung; Bd. 4/2: Von der Kritischen Theorie bis zur Globalisierung

Autor*in:Henning Ottmann
Verlag:J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 2010 und 2012, 540 und 418 Seiten
Rezensent*in:Gerhard Danzer
Datum:11.02.2013

Die beiden hier angezeigten Bände bilden den Abschluss einer enorm weit dimensionierten Geschichte des politischen Denkens, die sich von der griechischen Antike bis in die aktuelle Neuzeit erstreckt und nicht weniger als insgesamt neun Teilbände mit etwa 4000 Druckseiten umfasst. Allein diese verlegerische Großtat, die seit 2001 während des vergangenen Jahrzehnts realisiert wurde, verdient uneingeschränkte Hochachtung.

Noch viel mehr kopfschüttelndes Erstaunen ruft jedoch das Faktum hervor, dass ein einzelner Autor (eben Henning Ottmann) die gesamten neun Bände im Alleingang verfasst hat. Normalerweise trifft man bei derlei Mammutprojekten heutzutage auf ein Autoren- und Beiträger-Team von einigen Dutzend Verfassern, die sich jeweils einem Kapitel einer solchen universalgeschichtlichen Darstellung widmen. Dementsprechend disparat fallen nicht selten die einzelnen Beiträge im Vergleich zueinander aus, und dementsprechend groß sind bisweilen die Unterschiede im Niveau und in der Qualität der jeweiligen Texte.

Nicht so bei dieser Geschichte des politischen Denkens, die aus einem Guss vor einem liegt, und bei deren Lektüre den Leser immer wieder die Anmutung von unbedingter Souveränität hinsichtlich des Stils und der Beherrschung des Stoffs überkommt. Derart viele substanz- und gehaltvolle Informationen und historisch-politische Einordnungen in verständlicher Sprache geboten zu bekommen, ist ein Genuss hohen Grades – selbst wenn man nicht mit jedem Urteil des wohl etwas religiös geprägten Ottmanns einverstanden sein mag.

Allein das Inhaltsverzeichnis von Band 4/1 macht die intellektuelle Spannbreite und das politisch-soziale Interesse des Verfassers deutlich. Es reicht von den Dystopien (H.G. Wells, Aldous Huxley, George Orwell) über Max Weber, die Konservative Revolution (Thomas Mann, Oswald Spengler, Ernst Jünger), den Faschismus und Nationalsozialismus, das politische Denken in Russland sowie in China jeweils vor, während und nach den Revolutionen bis hin zur Neoklassischen politischen Philosophie (Hannah Arendt, Eric Voegelin, Leo Strauss).

Analoge Verhältnisse finden sich im Band 4/2, der sich mit dem politischen Denken des Existentialismus und der Existenzphilosophie (Heidegger, Jaspers, Sartre, Camus), der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule (Horkheimer, Adorno, Marcuse), mit Jürgen Habermas und Sir Karl Popper, dem Feminismus, der politischen Philosophie der Postmoderne (Lyotard, Foucault), mit John Rawls, dem Kommunitarismus (MacIntyre, Taylor, Walzer) sowie mit der (zukünftigen?) Demokratie jenseits des Nationalstaates befasst.

Mit seiner neunbändigen Geschichte des politischen Denkens hat Henning Ottmann sein Opus magnum vorgelegt. Der inzwischen beinahe 70-jährige politische Philosoph (geboren 1944 in Wien) wurde 1974 an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität von dem damaligen Ordinarius für politische Philosophie, dem katholisch konservativen Philosophen Nikolaus Lobkowicz, mit einer Arbeit über Individuum und Gesellschaft bei Hegel promoviert. In seiner Habilitationsschrift befasste sich Ottmann dann mit Philosophie und Politik bei Nietzsche (1984).

Kurz darauf übernahm er eine Professur in Augsburg und dann einen Lehrstuhl in Basel und Freiburg – jeweils für politische Philosophie. 1995 wurde Ottmann an das Geschwister-Scholl-Institut der Universität München auf jenen Lehrstuhl berufen, den sein Lehrer Lobkowicz innegehabt hatte. 2009 wurde Ottmann emeritiert und widmet sich seither seinen literarisch-wissenschaftlichen Projekten – unter anderem ist er Mitherausgeber des Nietzsche-Handbuchs (2011) sowie einiger philosophischer und politischer Periodika (Hegel-Jahrbuch; Philosophisches Jahrbuch; Jahrbuch für politisches Denken; Basler Studien zur Philosophie). Besonders erwähnenswert bei der Geschichte des politischen Denkens ist der Preis dieses Werks: Jeder Band kostet, da broschiert, knapp unter zwanzig Euro und ist damit auch für Studenten erschwinglich.